Verwirrte Babuschka im Schneesturm verirrt – ein trauriges Wintermärchen

Ufa versinkt dieser Tage im Schnee. Der unaufhörliche flauschig weiße Regen mag für die Einen romantisch und erfreulich sein, Anderen aber macht er das Leben schwer.

Als ich gestern Abend kurz vor dem zu Bett gehen noch einmal ans Fenster trat, um verträumt das ufaer Lichtermeer durch den hefigen Schneefall hindurch zu bestaunen, fiel mir unter meinem Fenster eine alte Frau auf, die sich äußerst merkwürdig verhielt. Sie stapfte etwas abseits der Straße mühsam durch den tiefen Schnee und lief dabei immer im Kreis zwischen den parkenden Autos, einigen Tannen und dem kleinen Geländer, der das Grundstück von der Straße abgrenzt. Nachdem ich mich einige Minuten daran ergötzt hatte, wie sie mit ihrem Stock und ihren Händen tastend nach dem Rückweg zur Straße suchte, beschlich mich doch der Gedanke, sie würde einer helfenden Hand vielleicht nicht abgeneigt sein. Ich schlüpfte wieder in die langen Unterhosen, schwang mir den Wollschal um und rannte – immer 3 Stufen auf einmal nehmend – zu der armen Babuschka hinab.

Sie war sichtlich erschöpft und japste mir zu, dass sie eigentlich nur zum Supermarkt wollte, im tiefen Schnee aber die Orientierung verloren habe. Es war bereits kurz vor Mitternacht, lange nach Ladenschluss und auch die dicke Schneeschicht auf ihren Schultern zeugte davon, dass die Babuschka wohl schon sehr lange nach dem Milchregal suchte.

Sie fragte mich, wer ich denn sei. Die Information, dass ich aus Deutschland bin, löste bei ihr ungläubige Heiterkeit aus. Mein Angebot sie nach Hause zu begleiten schlug sie ab. Stattdessen wollte sie auch zu dieser späten Stunde noch zum „Jamarka“-Supermarkt. Was sie dort eigentlich kaufen wollte wusste das Mütterchen aber nicht mehr so genau und mein Vorschlang doch statt des längst geschlossenen Supermarktes lieber einen der kleinen 24h- Läden aufzusuchen stieß nicht auf Zustimmung. Nun gut, man kann ja niemanden zu seinem Glück zwingen. Ich führte sie also um die Ecke zu dem gewünschten Markt. Als sie einsehen musste, dass dort an diesem Abend tatsächlich keine Lebensmittel mehr zu erstehen waren, wollte sie doch gern nach Hause.

Die nächste Hürde die sich auftat, bestand darin, dass sie zwar wusste in welcher Etage sie wohnt, sich aber weder an den Straßennamen, noch an die Hausnummer erinnern konnte. Die Wegbeschreibung, die sie mir gab, konnte ich nicht entschlüsseln, dafür waren meine Russischkenntnisse offenbar nicht ausreichend.

Wir irrten also noch eine Weile durch die Gegend, bis ich an einer Straßenecke Hilfe erblickte: Eine Russin, die mein Mütterchen doch bestimmt anhand ihrer Wegbeschreibung nach Hause führen würde. Als ich der wohlgenährten Endzwanzigerin hoffnungsvoll mein Anliegen vortrug, rollte sie verächtlich mit den Augen und nach einem „Die Alte wohnt da drüben!“ drehte sie sich um, stieg in den gerade anhaltenden Bus und fuhrt davon.

Etwas verwundert über ihr Wissen und sehr verärgert über ihre Unfreundlichkeit schnappte ich mir wieder meine Babuschka und führte sie zu dem Haus, auf das die andere Frau gezeigt hatte. Als ich ihr den Straßennamen vorlas, fiel dem Mütterchen auch ihre Hausnummer wieder ein und in mir regte sich schon Hoffnung, dieses Abenteuer könnte ein gutes Ende nehmen.

Als die Babuschka dann endlich den Schlüssel aus ihrer Tasche gekramt hatte, kam ihr ein anderer Herr beim Öffnen der Tür zur Hilfe. Ich fragte ihn ob er sie kenne und er antwortete mit einem genervten Blick „Ja, natürlich“ und wartete geduldig bis sie sich über die Türschwelle gequält hatte.

Ein zweiter, weitaus älterer Mann kam aus dem Haus, dem Geruch nach hatte er an diesem Abend schon mehr als 2 Gläschen Wodka getrunken. Er brüllte das Mütterchen an, wo sie sich so lange rumgetrieben habe. Sie solle sich schnellstens in die Wohnung bewegen, es sei immer das gleiche mit ihr.

Die Babuschka war zu Hause. Ich machte mich schnell aus dem Staub, weil der betrunkene Herr trotz seines Alters nicht danach aussah, als wenn er sich davor fürchten würde, es mit einem deutschen Freiwilligenhänfling aufzunehmen. Ein wenig traurig darüber, dass das Leben der alten Dame wohl nicht auf der AIDA bei einer netten Karibikkreuzfahrt enden würde, stieg ich in dieser Nacht in mein Bett.

2 Kommentare to “Verwirrte Babuschka im Schneesturm verirrt – ein trauriges Wintermärchen”

  1. ralf says:

    Tobi, du bist ein Held – молодец! :) ))

  2. nadja says:

    hasz du dich gemeint mit dem “hänfling”???? wenn ich mich richtig erinnere, sind die meisten bewohner in ufa halb so groß wie du….;)