Ein Poet unterwegs – Jekaterinburg

Im Osten vom Westen überrascht

Fünfzehn Stunden Zugfahrt trennen meine neue Heimat Ufa von Jekaterinburg. Die nächtliche Taxifahrt zur Unterkunft erstaunt mich. Die Stadt ist auch lange nach Mitternacht noch hell erleuchtet und es herrscht eine quirlige, aufregende Atmosphäre auf den ausladenden Prospekten.

Am nächsten Morgen lässt ein Blick aus dem zehnten Stock des Deutschen Konsulats bei mir Zweifel aufkommen, ob ich mich tatsächlich im asiatischen Teil Russlands befinde. Die Sonne glitzert in den Glasfassaden der vielen neuen Hochhauser und die Skyline erinnert mich an Vancouver.

Eine orthodoxe Kirche mit 2 goldenen Zwiebeltürmen lässt meine Zweifel verfliegen. Ab und zu rutscht der frische Schnee von den glänzenden Kuppeln und weht in einer kleinen Wolke davon – ein Anblick zum Träumen.

Auf einem ausgedehnten Stadtspaziergang zeigt sich, dass die Architektur aus Zaren-, Sowjetzeit und Moderne hier wirklich gut miteinander verwachsen ist. Die obligatorische Leninstatue weist heute nicht mehr den richtigen Weg in den Sozialismus, sondern zu einem großen Einkaufszentrum und der dahinterliegenden Shoppingmeile. Mein Reiseführer bezichtigt das Standbild sogar der Kommunikation mit der Skulptur des Stadtgründers Swerdlow auf der anderen Straßenseite. Demnach fragt Swerdlow: „Wladimir Iljitsch, wo hast du diesen schönen Mantel her?“ Und Lenin antwortet: „Von dort, aus dem Kaufhaus.“

An die Zeit, als Jekaterinburg das Zentrum der sowjetischen Waffenproduktion war, erinnert heute nur noch ein furchtbar hässliches Denkmal, das der Stadt für ihren herausragenden Beitrag zum Sieg über das Dritte Reich errichtet wurde. Und noch etwas trübt meine Stimmung: Der inzwischen angetaute Schnee vermischt sich mit Sand und Dreck auf den Gehwegen und wird zu einem ekligen Matsch, der jegliche unmotorisierte Fortbewegung zu einem Schlammbad werden lässt.

Meine Abreise wird von heftigem Schneefall begleitet. Zum Glück hält mein Schlafwagen direkt neben dem Treppenaufgang zum Bahnsteig und auch die Schaffnerin beeilt sich ausnahmsweise beim Abgleichen des Tickets mit meinem Reisepass, sodass ich schnell in den Zug springen kann und nicht – wie viele andere Mitreisende – als Schneemann ende.

Fazit: Die Stadt ist wunderschön und wirklich einen längeren Aufenthalt wert. Mein Trip war leider viel zu kurz, aber wenigstens kann ich jetzt behaupten schon einmal in Asien gewesen zu sein.

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