Poeten in Ufa

Naja, ein bisschen poetischer hätte Shakespeare folgenden Sachverhalt wahrscheinlich schon ausgedrückt.

Stellt euch ein beeindruckendes Theater vor. Mit 5 Logen, pompösen Marmorwänden, gestreichelt von fließendem blutroten Samt, mit Platz für etwa 3000 Menschen, ein ausladender, ebenso bemerkenswerter rot-weißer Vorhang lässt bereits die ersten Schritte des folgenden Balletts erahnen, die gewaltigen Klänge des einspielenden Orchesters dringen an unsere Ohren… und dann DAS.

Neben kurzgeröckten und hochgestiefelten Modepüppchen, hochtoupierten und armgereiften Damen KINDER! Mit HAPPY MEAL TÜTEN. Bereit, um diese zu Beginn des Balletts in Stücke zu zerreißen, die Pommes mit lautem Schmatzen zu zerbeißen, die Cola nach lautem Schlürfen wegzuschmeißen… Die pulsierenden Orchesterklänge von Prokofjews „Romeo i Julietta“ werden übertönt von fettigen Fastfoodschmatzgeräuschen.

Unfähig, mich auf den siedendheißen Liebestanz der beiden Protagonisten zu konzentrieren, flüchte ich nach der Pause auf eine andere Etage. Fernab von Fastfoodgerüchen stört mich jetzt nur noch der hochtoupierte Schopf der vor mir sitzenden Dame, welcher meine komplette Sicht auf die Bühne raubt und deren schweres Parfüm (wortwörtlich mit allen kölnisch Wassern gewaschen), mir alle Sinne raubt. Aber man kann ja nicht alles haben…

Der rot-weiße Vorhang schließt sich unter tosendem Applaus, begleitet von lauten begeisterten Schreien und Tritten. Es hätte mich nicht gewundert, wären vor lauter Begeisterung über einen solch kulturellen Abend, glitzernde Happymeal-Tüten von den oberen Rängen geflogen…

Die soeben geschilderte Situation ereignete sich in Ufas prachtvollem Staatlichen Baschkirischen Oper- und Balletttheater (Театр Оперы и Балета).

Dieser Beitrag wurde von Julia am 28. January 2010 um 10:01 am geschrieben und unter Julia, Ufa kategorisiert. Du kannst den kompletten Beitrag auch über den RSS 2.0-Feed empfangen. Kommentare und Pings sind zur Zeit geschlossen.