Bus ist nicht gleich Bus

In Ufa gibt es keine U- oder S-Bahnen, die dazu beitragen könnten, die völlig überfüllten Straßen zu entlasten.  Der ÖPNV wird ausschließlich durch Busse und einige wenige Straßenbahnlinien gewährleistet. Zum Ausgleich dieses Mangels an verschiedenen Verkehrsmitteln gibt es in Ufa jedoch eine unvorstellbare Vielfalt an Bustypen, Fahrpreisen und Möglichkeiten das Ticket zu bezahlen. Der Ufapoet wird an dieser Stelle versuchen, ein wenig Licht in diesen Dschungel zu bringen.

DSCN4227Zunächst gibt es da die Busse des staatlichen baschkirischen Verkehrsunternehmens „Bashavtotrans“. Sie machen einen relativ modernen Eindruck, fahren jedoch ziemlich langsam. In diesen Bussen gibt es einen sogenannten Konduktor, der die Aufgabe hat, durch den Bus zu laufen und den Fahrgästen die Tickets zu verkaufen. Seit kurzem bezahlt man hier für eine einfache Fahrt 15 Rubel (vorher 10 Rubel). Diese 50-prozentige Preiserhöhung ist Gerüchten zufolge auf die momentan sehr angespannte Finanzsituation von Bashavtotrans zurückzuführen. Bemerkenswert ist, dass in diesen Bussen neben den Fahrern und Konduktoren auch Konduktor-Kontrolleure arbeiten, die mit der wichtigen Aufgabe betraut sind, unangekündigt zuzusteigen und zu überprüfen, ob die Fahrkartenverkäufer auch tatsächlich jedem Fahrgast ordnungsgemäß eine Fahrkarte verkaufen. Das ist der „Bashkirien way of ABM-Maßnahme“.

DSCN4226Deutlich häufiger anzutreffen sind die „Gazelka“ genannten weiß oder gelb lackierten Kleinbusse. Der Name leitet sich vom Automobilhersteller „GAZel“ ab, wird aber auch für die ebenfalls sehr verbreiteten Kleinbusse anderer Hersteller verwendet. In diesen Fahrzeugen finden circa 15 Passagiere Platz. Man erreicht mit diesen Bussen sein Ziel am schnellsten, reist aber auch am gefährlichsten, denn der § 1 der deutschen StVO ist russischen Busfahrern leider völlig unbekannt. Wer aussteigen möchte muss seinen Haltewunsch laut und deutlich dem Fahrer mitteilen, da diese Gazelkas nicht immer jede Station ansteuern. Bezahlt wird hier, indem man dem Fahrer beim Aussteigen 15 Rubel übergibt. Allgemein ist es in Russland regional sehr verschieden, ob beim Ein- oder beim Aussteigen in einen Kleinbus bezahlt werden muss. Wer also in Ufa schon beim Betreten des Busses bezahlt, outet sich sofort als „Ausländer“.

DSCN4219Am häufigsten anzutreffen sind in Ufa die „Marschrutkas“. Ebenso wie die Gazelkas werden sie von vielen kleinen Privatunternehmen betrieben. Diese etwas in die Jahre gekommenen Busse bieten Platz für 25 bis 30 Personen und eine Fahrt kostet 10 Rubel. Auch hier wird beim Aussteigen bezahlt.

DSCN4230Weiterhin gibt es in Ufa die in Deutschland nahezu unbekannten Trolleybusse. Dies sind Busse, die anstelle eines Verbrennungsmotors von einem Elektromotor angetrieben werden. Den benötigten Strom beziehen sie – ähnlich einer Straßenbahn – mit Hilfe eines Stromabnehmers aus der Oberleitung. Diese Fahrzeuge sind zwar sehr umweltfreundlich, aber bereits so alt, klapprig und langsam, dass sie eigentlich nur noch als Verkehrshindernis und weniger der Personenbeförderung dienen. Eine Fahrt kostet hier seit der letzten Preiserhöhung zu Beginn des Jahres 9 Rubel, die von einem Konduktor eingesammelt werden.

DSCN4234Als letztes soll hier noch die Gruppe der Uraltbusse Erwähnung finden. Dies ist eine Mischung von Fahrzeugen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern, die alle ihre ganz eigenen Besonderheiten haben. Da gibt es zum Beispiel die Japanischen: Unbequeme, viel zu niedrige Sitze und unzählige wirr angeordnete kleine Dachluken, deren Sinn sich dem Fahrgast nicht so ganz erschließt. Auf jeden Fall sind sie als Notausstieg und zur Belüftung völlig ungeeignet. Ebenfalls zu dieser Gruppe gehören die Mercedesbusse. Vor ungefähr 50 Jahren in Deutschland ausgemustert, tun sie hier noch immer mehr oder weniger zuverlässig ihren Dienst. Der Fahrer wird Tag für Tag vom DEKRA-Aufkleber über seinem Kopf begrüßt und auf den Außenwänden klebt bis heute der Werbeschriftzug der Autolackiererei „Starke & Höcker“. Eine Fahrt mit einem Exponat dieser internationalen Oldtimersammlung kostet 6 Rubel.

DSCN4245Der Vollständigkeit halber sollen auch die Straßenbahnen nicht unerwähnt bleiben. Das marode Schienensystem ist wenig vertrauenserweckend, aber die Tram bringt ihre Fahrgäste immerhin schon für 8 Rubel ans Ziel. Auch hier wird man von einem Konduktor betreut, der übrigens bei fehlender Ortskenntnis gern behilflich ist.

Für alle staatlich betriebenen Verkehrsmittel (erkennbar am Konduktor) ist eine Art Sammelticket erhältlich. Damit kann eine festgelegte Anzahl Tickets bereits vor Fahrtantritt und zu einem günstigeren Preis erworben werden.

Zum Abschluss noch eine Eigentümlichkeit ufaer Busse. Es ist groß in Mode, die Scheiben der Fahrzeuge entweder mit Sonnenschutzfolie abzudunkeln, oder die Fenster gänzlich mit Vorhängen zu verschließen. Möglicherweise sollen diese Maßnahmen eine besonders wohnliche Atmosphäre schaffen. Stattdessen bewirkt das schummrige Licht beim Poeten aber eher Müdigkeit. Abgesehen davon wäre es in machen Situationen durchaus von Vorteil, wenn man sehen würde, wo man gerade ist, um rechtzeitig aussteigen zu können.

4 Kommentare to “Bus ist nicht gleich Bus”

  1. Wochenrückblick aus Russland KW15 | Russisch lernen .de - Einfach Russisch Lernen says:

    [...] Wer etwas besser das öffentliche Verkehrssystem in Russland verstehen will, sollte sich diesen Artikel über russische Busse durchlesen: Bus ist nicht gleich Bus. [...]

  2. nadja says:

    hm..ich dachte immer, die gelben sind marshrutkas?! da bin ich ja immer völlig falsch gefahren….die fahrpreiserhöhungen fnde ich ziemlich krass….ist die inflation generell so hoch? also steigen die preise z.b. bei brot oder tomaten oder majo auch so?

  3. Julek says:

    ха-ха – классификация нашего транспорта. Не ожидала, молодец. скучаю по пазикам и газелькам. И наш самый дорой проезд если на евро перевести сколько? 5 центов?))))))))))))

  4. ralf says:

    Ich muss Nadja beipflichten: Die gelben Gazel sind ebenso Marshrutkas wie die größeren grauen Kästen, die auf dem Bild sind. Die übrigens, wie Julia bemerkte Pazik (mit weichem s) heissen. Ebenfalls abgeleitet vom Autohersteller “PAZ” – Pavlovskij avtobusnyj zavod.
    Das Autowerk GAZ ist übrigens in Nizhni Nowgorod, dem früheren Gorki, Deshalb Gorkovski Avtomobil’nyj zavod.
    Das Wort Marshrutka kommt ja nur daher, dass die (Klein)Busse eine feste Strecke – Marshrut (vom deutschen Marschroute, obwohl Route ja auch nicht deutsch ist) – fahren, allerdings nur auf Wunsch anhalten.
    So jetzt genug kluggeschissen … oder gescheissert?
    Ein Super-Artikel! Habe mich amüsiert. Danke!