Mittags-Entertainment

Zurück aus dem Heimaturlaub führt der erste Weg den Poeten zum ufaer Ausländeramt, denn – jeder Ausländer muss sich in Russland mit seiner Migrationskarte (die er bei der Einreise erhält) innerhalb von drei Tagen an seinem Aufenthaltsort registrieren. Vorbildlich, alle Formulare schon ausgefüllt und die fällige Gebühr bereits bezahlt, betritt der Poet um 13:47 – also kurz vor der Mittagspause (14:00-15:00) die Amtsstube. Es handelt sich um einen kleinen stickigen Raum, in dem unzählige winzige Schalter befinden, hinter denen im Idealfall Beamten sitzen, an die man sich dann vertrauensvoll mit seinen Registrierungswünschen wenden kann. Geöffnet waren zwei Schalter. Der Raum war proppevoll…Litauer, Esten, Polen, Kasachen, Turkmenen, viele andere mehr und mittendrin der Ufapoet, alle darauf aus, noch vor der Mittagspause glücklich mit einem Registrierungsstempel wieder hinaus in die strahlende Mittagssonne treten zu können.

Nun galt es zuallererst in dem Gewusel das Ende der Warteschlange zu finden. Mit „Кто последний? Вы последний?“ (Wer ist hier der Letzte? Sind Sie der Letzte?) drängelte ich mich durch die Menge. „Nein, versuchen Sie’s mal dort hinten“, kam die Antwort. Das sollte eine Schlage sein? Sah mir eher nach einem Warteknäuel aus, aber was soll‘s. 13:50. Vor mir noch etwa 5 Leute. Ob das was wird? Abwarten und nur nicht wegdrängeln lassen!

Je mehr sich der große Zeiger der Zwölf näherte, desto unruhiger wurde die Atmosphäre. Ein Mann drängelt sich vor. „Wo wollen sie hin, stellen sie sich hinten an!!“, ruft eine Frau in leicht bissigem Ton. „Ich will nur was fragen“. „Was wollen sie denn fragen? Hören Sie, ich will hier noch vor dem Mittag fertig werden.“ „Ich will nur fragen ob ich das Formular richtig ausgefüllt hab.“ „Zeigen sie mal her!!“ Die Frau überfliegt das Formular des Mannes mit prüfendem Blick. „Alles richtig! Und jetzt stellen sie sich hinten an!“ Mit gesenktem Kopf tritt der Mann ab. „Nein!“, keift die Frau, die ihn begleitet. „Du gehst da jetzt hin und fragst ob das Formular richtig ausgefüllt ist!“. Sie nimmt die Sache selbst in die Hand.

Plötzlich geht es ganz schnell. Von überall wird gedrängelt und geschoben. Die Beamtinnen hinter dem Schalter weisen mehrere Leute wegen fehlender Formulare ab. Noch jemand drängelt sich vor. Eine Frau. Wieder die Frage: „Was wollen Sie?? Stellen sie sich hinten an!!“ „Ich will nur was fragen, geht ganz schnell!“ „Nein!! Sie gehen jetzt nach hinten!“ Sie drängelt weiter, fragt, und schiebt sich zurück. „Sehen Sie! Ich hab doch gesagt es geht ganz schnell”, sagt sie trotzig und mit bebender Stimme. Sie hat Tränen in den Augen.

14:00. Der Siedepunkt ist erreicht. Mehrere Frauen und eine der Beamtinnen beginnen sich anzubrüllen. Unbemerkt haben die Reinigungskräfte mit ihrer Mittagsschicht begonnen und bereits den halben Raum gewischt. „Hey! Wo laufen Sie denn lang?! Da ist schon gewischt! Das hab ich gerade sauber gemacht! Alle raus hier jetzt, es ist Mittagspause. Alle raus!“, schreit die Putzfrau.

Der Poet kann sich ein grinsen nicht verkneifen. Jetzt bin ich dran. Reiche meine Formulare durch das Fenster. Auch die Beamtin muss schmunzeln. Inzwischen haben die Putzfrauen alle anderen gewaltsam aus dem Raum gejagt. Ich bekomme meinen Stempel – als Letzter vor dem Mittag.

Puh! Wieder auf der Straße gönne ich mir zur Belohnung ein Becherchen Kvas. So unterhaltsam habe ich bisher leider noch kein deutsches Amt erlebt.

Ein Kommentar to “Mittags-Entertainment”

  1. nadja says:

    oh mein gott, das verstehst du unter unterhaltsam?! ich erinnere mich eher an meinen besuch zum visa-beantragen letztes jahr in leipzig…und ich fand es ganz schauderlich….du sonntagskind…letzter stempel vor der pause….:)